Metformin – die neue Wunderdroge? Teil 1

Nov 25, 2013 | Allgemeines, News

Anti-Tumor Wirkungen, Anti-Inflammatorisch, Anti-Aging…
 
Metformin gehört wie Azetylsalizylsäure (Aspirin) und Methotrexat zu den „Methusalems“ in unserem  therapeutischem Arsenal.  Für Metformin, das seit 1957 in Europa als Antidiabetikum in Gebrauch ist (aber bereits 1923 in Deutschland synthetisiert und tierexperimentell erprobt als möglicherweise anti-inflammatorisch wirkendes Agens!), entdeckt man seit etwa 2005 neue Wirkungen durch retrospektive Analysen der vielen Studien, bei denen Metformin  als Monotherapie oder als „add-on“-Therapie bei  Typ 2 Diabetikern verabreicht wurde. Eine rezente Metaanalyse von nahezu 1,5 Millionen Patientendaten kommt zum Schluss, dass Metformin die Krebshäufigkeit bei Diabetikern signifikant senkt. Andere Daten sprechen dafür, dass  Metformin (aber nur bei Männern) das Risiko für Psoriasis vermindert. Prospektive Studien mit Metformin im Vergleich zu Plazebo- und „life-style“-Intervention belegen: Metformin  kann die Progression des metabolischen Syndroms  zum Diabetes verzögern. Metformin  vermindert bei übergewichtigen Diabetikern kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu anderen Antidiabetika, inklusive Insulin. Mit Hilfe von Biomarkern (Interleukin-1 beta und CRP im Plasma,  Expression von Komponenten des Inflammasoms NLRP3 in Monozyten) gelingt es, anti-inflammatorische Wirkungen bei mit Metformin behandelten Typ 2 Diabetikern nachzuweisen. Die vermuteten Anti-Tumorwirkungen von Metformin werden derzeit  in einer Reihe von prospektiven kontrollierten Studien bei Nichtdiabetikern überprüft. Erste Ergebnisse sind 2014 zu erwarten.
 
 Drei Methusalems haben einen gemeinsamen Wirkort
 
Überraschend ist, dass die drei oben genannten Methusalems einiges gemeinsam haben: Aspirin senkt die Krebshäufigkeit (vom Melanom bis Coloncarcinom) nach einer Latenz von mindestens 5 Jahren bei täglicher Einnahme, Methotrexat (in der  üblichen Dosis, d.h. 15- 25 mg einmal die Woche ) vermindert das kardiovaskuläre Risiko (und klinische Ereignisse) bei Patienten mit Rheuma oder Psoriasis. Noch überraschender allerdings ist, dass der aus Aspirin  entstehende Metabolit Salicylsäure, sowie Metformin und Methotrexat, (neben anderen Wirkorten) auch ein gemeinsames zelluläres Ziel haben: die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMP-Kinase), die von diesen Substanzen auf unterschiedliche Weise stimuliert wird. Diese Masterkinase reguliert neben den Sirtuinen und mTOR (mammalian Target Of Rapamycin) eine Vielzahl von Stoffwechselvorgängen, Entzündungsgeschehen,  Signaltransduktionswegen der Apoptose, Tumorabwehr und vieles andere mehr. Werden zwei Salicylsäure-Moleküle miteinander über eine Esterbrücke verknüpft, entsteht das gut magenverträgliche Salsalat (ehemals als Rheumamittel im Gebrauch), das nach Resorption in den AMP-Kinase Stimulator Salicylat gespalten wird. Für Salsalat kann (Tagesdosen von bis zu 4 Gramm) in (NIH gesponserten Studien) jetzt (2013) eine Wirksamkeit als Antidiabetikum belegt werden, und es ist auch beim  Prädiabetiker wirksam. Ob der Aspirinmetabolit Salicylsäure (und dessen Stimulation der AMP-Kinase) an den anti-Tumor Wirkungen (insbesondere im unteren Darmtrakt) nach Langzeitanwendung von niedrigen Dosen Aspirin beteiligt ist, wird von Fachleuten vermutet, ist aber keinesfalls belegt. Belegt ist aber beim Menschen: nach Gabe von Metformin kommt es zur Stimulation der AMP-Kinase, und zwar nicht nur, wie man vermuten könnte, in der Leber, sondern auch im Skelettmuskel und wahrscheinlich in vielen anderen Regionen und Zellen des Organismus. Während Salicylsäure die AMP-Kinase durch direkte Bindung an eine Untereinheit des Enzyms stimuliert, kommt die Stimulation durch Metformin (ebenso wie die durch Methotrexat, hier nicht erläutert) indirekt zustande. Metformin imitiert quasi „Fasten“ bzw. Kalorienrestriktion und wird deshalb auch als „Calorie Restriction  Mimetic“ bezeichnet. Im Tierversuch kann Metformin, ebenso wie Einschränkung der Nahrungszufuhr, das Leben von Mäusen verlängern und zu weniger  Tumoren, Katarakten sowie anderen, mit dem Altern in Verbindung gebrachten Veränderungen führen. Für die anti-Tumor Wirkungen des Metformins gibt es viele experimentelle Belege, die von Verhinderung  der durch UV-B Strahlung induzierten Hauttumore bis hin zur selektiven Abtötung von rasch wachsenden, metastasierenden Krebs-Stammzellen reichen. Dabei besitzt Metformin  auch überragende anti-inflammatorische Eigenschaften. „Inflammation“ steht derzeit im Mittelpunkt der Forschung über Atherosklerose, der Pathogenese des Typ 2 Diabetes und des aggressiven Tumorgeschehens.
 
 
Em. O.Univ.Prof. Dr. med.Hartmut Glossmann
Literatur beim Verfasser ( hartmut.glossmann@i-med.ac.at)