Mütterliche Immunaktivierung – Bedeutung für neuropsychiatrische Erkrankungen

Jan 23, 2019 | Allgemeines, News

Die epidemiologische Evidenz spricht dafür, dass Infektionen von Müttern während der Schwangerschaft einen Risikofaktor für die Entwicklung von Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum und von Schizophrenie darstellen. Die Resultate von Tierversuchen unterstützen diese Hypothese und zeigen, dass eine maternale Immunaktivierung (MIA) alleine bereits genügt, um lebenslange neuropathologische Erkrankungen und Verhaltensveränderungen bei den Nachkommen hervorzurufen.

 

In einer bereits vor längerer Zeit erschienenen Übersichtsarbeit (1)werden die allgemeinen Prinzipien dieser Korrelation im Tiermodell und beim Menschen beschrieben. Dabei wird vor allem auf jüngste Daten eingegangen, die einen Effekt von MIA auf die Nachkommen zeigen konnten. Die Autoren behaupten, dass MIA ein Auslösefaktor für ein noch viel weiteres Spektrum psychiatrischer und neurologischer Veränderungen ist als bisher angenommen.

 

Ein allgemein bekanntes Beispiel für einen derartigen Mechanismus ist das Risiko für eine Mikrocephalie bei Kindern von Müttern mit einer Zikavirus-Infektion (2).Dieses Phänomen hat dazu geführt, dass jetzt auch ähnliche Effekte bei anderen maternalen Virusinfektionen in Betracht gezogen werden (3).So kam es beispielsweise nach der Röteln-Pandemie im Jahr 1964 zu einem Anstieg der Inzidenz von autistischen Erkrankungen von weniger als 1% in der nicht-exponierten Bevölkerung auf ca. 13% im exponierten Bevölkerungssegment, für die Schizophrenie sogar von weniger als 1% auf 20% (3).

Als Grund für diese Phänomene wird eine gestörte Balance verschiedenster Zytokine im fetalen Gehirn zum Zeitpunkt ganz bestimmter Entwicklungsstufen angenommen (4,5).So konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass eine einzige Injektion eines pro-inflammatorischen Zytokins (Interleukin 6/IL-6; IL-17 oder IL-2) in schwangere Mütter bereits genügt, um bei den Nachkommen Autismus- und Schizophrenie-ähnliche Verhaltensweisen hervorzurufen (6).Die gleichzeitige Verabreichung blockierender Antikörper oder die transgene Überexpression des anti-inflammatorischen Zytokins IL-10 können diese Effekte verhindern (6).

 

 

 

Ref.

(1)

Estes ML, McAllister AK

„Maternal immune activation: implications for neuropsychiatric disorders“

Science. 2016 Aug 19;353(6301):772-777.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27540164

 

 

(2)

Rasmussen SA et al.

„Zika Virus and Birth Defects – Reviewing the Evidence for Causality“

N Engl J Med. 2016 May 19;374(20):1981-1987.

 

No Abstract available.

 

 

(3)

Patterson PH

„Immune involvement in schizophrenia and autism: etiology, pathology and animal models“

Behav Brain Res. 2009 Dec 7;204(2):313-321

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19136031

 

 

(4)

Estes ML, McAllister AK

„Immune mediators in the brain and peripheral tissues in autism spectrum disorder“

Nat Rev Neurosci. 2015 Aug;16(8):469-486.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26189694

 

 

(5)

Meyer U.

„Prenatal poly(i:C) exposure and other developmental immune activation models in rodent systems“

Biol Psychiatry. 2014 Feb 15;75(4):307-315.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23938317

 

 

(6)

Choi GB et al.

„The maternal interleukin-17a pathway in mice promotes autism-like phenotypes in offspring“

Science. 2016 Feb 26;351(6276):933-939.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26822608