Androgene und Androgen-Rezeption Teil 2

Dez 19, 2018 | Hormondiagnostik, News

Androgen-induzierte Immunsuppression

 

Zusätzlich zur Determinierung des biologischen Geschlechts haben Sexualhormone bekanntlich grossen Einfluss auf Gesundheit und Krankheit, insbesondere über die Regulation des Immunsystems und die Empfänglichkeit von Zielzellen/-organen auf immunologische Reaktionen. Systemische Autoimmunerkrankungen, wie systemischer Lupus erythematosus (SLE), Rheumatoide Arthritis (RA) und Multiple Sklerose (MS), treten bei Frauen im Allgemeinen viel häufiger auf als bei Männern, während für Krebs das Umgekehrte gilt. Der Einfluss von Geschlechtshormonen wurde immer wieder für diese Diskrepanz verantwortlich gemacht. Im Folgenden soll auf die durch Androgene bedingte Suppression der immunologischen Funktion in zwei Beiträgen eingegangen werden.

 

 

Androgene und Immunreaktion

Die Expression von AR in verschiedenen Organen bzw. Zellen des Immunsystems weisen bereits auf ihre immunregulatorische Funktion hin. So sind beispielsweise T-Zellen während ihrer gesamten Entwicklung im Thymus und darüber hinaus Androgen-sensitiv, während dies für B-Zellen nur für den Zeitraum ihrer frühen Entwicklungsstadien gilt. Man kann die Entwicklung von B-Zellen von Hühnerembryonen durch das Eintauchen von bebrüteten Eiern (diese haben bekanntlich eine poröse Schale) in eine alkoholische Testosteronlösung blockieren. Thymozyten und Thymus-Epithelzellen exprimieren den klassischen AR, und dies gilt auch für T-Zellen im peripheren Blut. Letztere exprimieren allerdings auch Membran-assoziierte NC-Rezeptoren. Stromazellen des Knochenmarks und B-Vorläuferzellen, aber eben nicht reife periphere B-Zellen, exprimieren ebenfalls den klassischen AR. Dies gilt auch für die myeloischen Zelllinien, wie Neutrophile, Monozyten und Makrophagen. Interessanterweise exprimieren reife Eosinophile – ähnlich wie reife B-Zellen – keine ARs.

 

Zusammenfassendbesteht also ein grosses Potential an normalen und pathologischen Einflüssen von Androgenen und ARs auf Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems.

 

 

Wirkungen von Androgenen auf Zellen des angeborenen (innate) Immunsystems

 

Alle myeloischen Vorläuferzellen exprimieren klassische AR, und Androgene haben daher einen Einfluss auf die frühe Myelopoiese

 

Neutrophile

Die Reifung von Neutrophilen wird durch Androgene beschleunigt. So kann man beispielsweise bei jungen Frauen mit durch ein Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) bedingtem Hyperandrogenismus eine Neutrophilie beobachten, die mit anti-Androgenen behandelt werden kann. Androgene verringern dann später das Entzündungspotential von reifen Neutrophilen.

 

Monozyten und Makrophagen

Hier gibt es widersprüchliche Resultate in Bezug auf die Differenzierung und Mobilisierung von Monozyten und Makrophagen, z.B. im Rahmen der Wundheilung. Abgesehen von klassischen ARs exprimieren Monozyten und Makrophagen auch NC-ARs.

 

Dendritische Zellen

Mit DHT behandelte dendritische Zellen exprimieren weniger HLA- und ko-stimulatorische Moleküle und produzieren geringere Mengen proinflammatorischer Zytokine als unbehandelte Zellen. Daher erfolgt unter diesen Bedingungen eine weniger effiziente Stimulierung von T-Zellen.

 

 

Wirkungen auf Zellen des adaptiven Immunsystems

 

B-Zellen

Ein Grund, warum Frauen im allgemeinen höhere Titer von Antikörpern gegen Infektionserreger und Impfstoffe produzieren als Männer, ist ihre geringere Produktion von Androgenen und ihre erhöhte Anzahl aktivierter B-Zellen. Die entgegengesetzte Reaktion ist u.a. für die geringere Immunreaktion beim Mann verantwortlich. Wir zahlen allerdings evolutionär für alles einen Preis: wie erwähnt, entwickeln Frauen z.B. mehr Autoimmunerkrankungen. Die B-Zell-Entwicklung ist einerseits direkt durch Androgene beeinflusst, andererseits indirekt durch Effekte auf die zuvor erwähnten Stromazellen des Knochenmarks, wo sich B-Zellen entwickeln.

 

T-Zellen

Thymusabhängige Lymphozyten oder T-Zellen werden so bezeichnet, weil sie – im Gegensatz zu den (bone-marrow derived)B-Zellen – nicht im Knochenmark verharren, sondern ihre Entwicklung im Thymus durchmachen. Dort wird die T-Zell Selektion (die Eliminierung von potentiell gefährlichen autoreaktiven T-Zellen) ebenfalls von Androgenen über die Bindung an klassische und NC-ARs beeinflusst. Androgene verschieben das Gleichgewicht von proinflammatorischen Th2/Th17- zu antiinflammatorischen Th1 Zellen zugunsten der ersteren, was sich auch im Verhältnis der Produktion von pro- zu antiinflammatorischen Zytokinen manifestiert.

 

Zusätzlich zu ihrer verstärkenden Wirkung auf die Produktion proinflammatorischer Th2 Zytokine blockieren Androgene auch die Differenzierung von Th1 Zellen, und zwar durch die Hemmung der Produktion von Inerleukin-12 (IL-12) und Interferon-g(IFN-g) nach einer Antigenstimulierung.

 

 

Androgene und Autoimmunität

 

Viele Autoimmunerkrankungen zeigen bekanntlich eine höhere Prävalenz bei Frauen als bei Männern. Dies gilt u. a. für die Thyroiditis, SLE, Sjögren Syndrom, MS und RA. Für dieses Ungleichgewicht wurden v. a. Geschlechtshormone verantwortlich gemacht. Aber auch andere Faktoren, die durch Gene in X- und Y-Chromosomen encodiert werden, spielen eine krankheitsproduzierende Rolle. So zeigen Patienten mit Klinefelter Syndrom (XXY-Karyotyp) abgesehen von ihren zwei X-Chromosomen auch einen verminderten Androgenspiegel und ein erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen. Ganz allgemein ist die Frage, ob niedrige Androgenkonzentrationen ursächlich für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen verantwortlich sind, oder ob es sich hier um ein sekundäres Phänomen handelt, noch nicht eindeutig geklärt.

 

 

Krebs und Androgene

 

Bezüglich eines eventuellen Zusammenhangs zwischen der Androgenkonzentration und der Entwicklung von Karzinomen gibt es bisher noch keine definitiven Aussagen. Die Entwicklung von Karzinomen führt allerdings bekanntlich zu einem chronischen Entzündungszustand und deshalb wird angenommen, dass – ähnlich wie bei nicht-karzinomatös bedingen Entzündungsreaktionen, wie Autoimmunerkrankungen – auch hier Androgene einen modulierenden Einfluss haben könnten.