Aussagekraft von Testosteron (T) – Meßwerten im Blut/Plasma/Serum – Teil 2

Jan 29, 2014 | Hormondiagnostik, News

Es ist bekannt, daß T im Blut/Plasma/Serum nur zu einen sehr geringen Prozentsatz (ca. 5%) als freies Steroidhormon (fT) zirkuliert. Der größte Teil von T ist Protein-gebunden (bT), und zwar mit hoher Affinität an SHBG und niedriger Affinität an Albumin. Ob die letztere Bindung funktionell relevant ist, ist umstritten. Unbestritten ist aber, daß nur das freie fT biologisch aktiv ist, d.h. die Zielzellmembran durchdringen und damit an den cytosolischen Androgen-Rezeptor (AR) binden kann.
Da es verschiedene Einflüsse auf die SHBG-Produktionsrate und damit dessen Konzentration im Serum gibt, wie z.B. die langanhaltende Gabe von Östrogenen (Pille, Schwangerschaft), oder zu einer Erniedrigung (z.B. Danazol u.a. Androgene, Anbolika), oder Lebererkrankungen (SHBG wird in Hepatocyten produziert!), würde dies die Messung des Gesamt-T beeinflussen. Ein niedriges SHBG erzeugt also auch ein zu niedriges T-Meßergebnis und umgekehrt. Deshalb hat man – in Analogie zu den Messungen der Schilddrüsenhormone T3 und T4 – Immunoassays entwickelt, die freies fT messen können und somit ein von SHBG und Albumin unabhängiges Ergebnis liefern sollten. Die Idee war, auf diese Weise auf die zusätzliche Bestimmung von SHBG verzichten zu können. Soweit die Theorie!
In  der Praxis zeigte sich jedoch, daß diese Assays selbst nicht frei von "Fehlern" sind und daher mitunter inplausible, meist (fälschlich?) erhöhte fT-Werte ergeben können. Erniedrigte fT-Werte werden seltener diskutiert (siehe Beispiele oben) und stellen auch ein geringeres Problem für die klinische Interpretation dar. Eine direkte Verdrängung von T aus der Bindung an SHBG kann z.B. durch das Medikament Danazol erfolgen (1). Eine zweite Wirkung von Danazol – neben der oben erwähnten ersten – ist nämlich eine Erniedrigung der SHBG-Produktion. Es gibt weiters anekdotische und publizierte Evidenzen, daß eine Reihe weiterer Medikamente (z.B. Phenylbutazone), aber auch Nahrungsstoffe/Metaboliten eine ähnliche Wirkung wie Danazol besitzen, was also erhöhte, implausible fT-Werte erklärt. Außerdem wurden von Autoantikörpern gegen Testosteron berichtet, die ebenfalls das Meßergebnis von Immunoassays für T beeinflussen können. (2)
 
Unsere Einstellung zu T-Messergebnissen ist aufgrund vielfacher Erfahrungen, Rücksprachen mit einsendenen Ärzten und Labors sowie dem Studium der Literatur kurz folgende:

1. Ist ein fT-Wert unauffällig (oder auch erniedrigt) und die Fragestellung nach "erhöht" gegeben (bei Frauen), ist keine weitere Abklärung notwendig
 
2. Ist ein fT-Wert erhöht und die Fragestellung nach "erhöht" gegeben (bei Mädchen/Frauen), sollten zur weiteren Abklärung SHBG und T gemessen werden, und evt. auch weitere Androgene, wie DHEA, DHEAS, Androstendion, sowie FSH+LH, Cortisol, und evt. 17alpha-HO-Progesteron und 1-Deoxycortisol zum Auschluß eines AGS
 
3. Ist ein fT-Wert erhöht und die Fragestellung nach "erniedrigt" gegeben (bei Männern), kann auf eine weitergehende Abklärung verzichtet werden.
 
 
(1)
Schwarz S., Boyd J.
„Interference of Danazol with the radioimmunoassay of steroid hormones“
J Steroid Biochem. Jun;16(6):823-826 (1982)
 
Schwarz S. et al.
„Hormone binding globulin levels in patients with hereditary angioedema during treatment with Danazol“
Clin Endocrinol (Oxf) Jun;14(6):563-570 (1981)
 
(2)
Torjesen PA, Bjoro T.
„Antibodies against testosterone in patient’s serum: a problem for the laboratory and the patient“
Clin Chem Dec;42(12):2047-2048 (1996)