Autoantikörper (AAK) gegen Gewebs-Transglutaminase (tissue transglutaminase – tTG)

Jul 22, 2014 | Immundiagnostik, News

Die Bestimmung von Autoantikörpern (der Klasse IgA, gelegentlich auch IgGgegen Endomysium und tTG, sowie Antikörpern gegen Gliadin dient der Diagnose der Glutein-sensitiven Enteropathie (Zöliakie, einheimische Sprue) und der Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD).
Die Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die bei genetisch disponierten Personen (HLA-DQ2, HLA-DQ8) zu einer Überempfindlichkeitsreaktion gegen Gluten führt. Das Weizenprotein Gliadin wird nach peroraler Aufnahme in der Lamina propria der Darmmukosa durch das Enzym tTG desaminiert, wodurch Glutaminreste durch Glutaminsäurereste ersetzt werden. Der physiologische Abbau von Gliadin wird bei Vorhandensein von anti-tTG Autoantikörpern verhindert bzw. gestört und genetisch prädisponierte Menschen bilden dann Antikörper gegen dieses normalerweise unschädlich gemachte Weizenprotein. tTG hat interessanterweise eine Antigengemeinschaft mit dem Endomysium, und der Nachweis von Autoantikörpern gegen Endomysium ist der Goldstandard für die Zöliakiediagnostik, während die Bestimmung von anti-tTG Autoantkörpern ein wichtiges zusätzliches diagnostisches Instrument darstellt. Antikörper gegen Gliadin müssen natürlich immer gleichzeitig mitbestimmt werden.
Die Autoantikörper gegen Endomysium sind wahrscheinlich identisch mit Autoantikörpern gegen Retikulin (1).
 
Die Inzidenz der Zöliakie schwankt von 1/300 in Irland, Italien und den USA, dem Mittleren Osten, Indien und Kuba, über 1/1000 in Deutschland und Österreich, und 1/2000 bis 1/4500 in anderen europäischen Ländern.
 
Gluten ist ein sog. Klebereiweiss in verschiedenen Getreidearten (z.B. Weizen, Gerste, Roggen). Es enthält mehrere Proteine, die in zwei Gruppen, die Prolamine und die Gluteline unterteilt werden. Gliadin ist das wichtigste Mitglied der Prolamin-Familie.
 
Der Genuss von glutenhaltigen Lebensmitteln führt bei Patienten mit Zöliakie zu einer Schädigung der Darmschleimhaut mit dem Verlust der Schleimhautzotten (Zottenatrophie). Die Darmschleimhautveränderungen werden pathohistologisch nach der Marsh-Klassifizierung in 3 Schweregrade eingeteilt:
 

Marsh-Typ I Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten (>40 IEL/100 Epithelzellen) bei normaler Schleimhautarchitektur
Marsh-Typ II Zusätzliche Kryptenhyperplasie bei noch normalen Zotten
Marsh-Typ III Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten (IEL), Kryptenhyperplasie, Degeneration von Epithelzellen und Zottenverplumpung.
Typ III wird weiter unterteilt in Marsh IIIA (partielle Zottenatrophie), Marsh IIIB (subtotale Zottenatrophie), und Marsh IIIC (totale Zottenatrophie).

 
 
Klinische Symptome der Zöliakie sind folgende:
Müdigkeit (80%), vermehrte Darmgeräusche (70%), Diarrhoe (60%), Folgeerscheinungen von Malabsorption, wie Gewichtsverlust, Wachsturmsstörungen und Anämie bei Kindern (40%), Erbrechen (15%), Obstipation (10%), Glutenataxie (= progressive cerebrale Gangstörung mit generalisierter muskulärer Dysbalance und Verlust der Tiefensensibilität) und Fetusverlust.
Die DHD ist eine Sonderform der glutensensitiven Enteropathie (10%) mit Blasenbildung in der Haut und einem erhöhten Tumorrisiko (2).
 
Aufgrund der modernen serologischen Diagnostik der Zöliakie kann heute in den meisten Fällen auf eine Darmbiopsie verzichtet werden. Die Bestimmung der erwähnten serologischen Parameter ist vor allem auch für das Monitoring wichtig, sie fallen nämlich bei unter glutenfreier Diät ab und können oft gänzlich negativ werden. Wenn bei klinisch noch gesunden Säuglingen und Kleinkindern, die bereits mit glutenhaltiger Nahrung gefüttert werden, IgA-Antikörper gegen Gliadin nachweisbar sind, soll der Titer dieser Antikörper nach ca. drei Monaten kontrolliert werden.
 
Bei Patienten mit Zöliakiesymptomatik, aber IgA-Mangel, muss nach anti-Gliadin-Antikörpern bzw. anti-Endomysium- und anti-tTG-Autoantikörpern der Klasse IgG gefahndet werden.
 
 
 
Ref.:
(1)
Dieterich W. et al.
„Identification of tissue transglutaminase as the autoantigen of celiac disease“
Nat Med. Jul;3(7):797-801 (1997)
 
(2)
Humbert P. et al.
„Gluten intolerance and skin diseases“
Eur J Dermatol. Jan-Feb;16(1):4-11. Review (2006)