Autoimmunität und Primärer Immunmangel

Dez 19, 2018 | Immundiagnostik, News

Autoimmunität und Primärer Immunmangel

 

Prima vistawürde man annehmen, dass bei Patienten mit Primären Immunmangel-erkrankungen Autoimmunerkrankungen seltener auftreten. In Bezug auf genetische Assoziationen und Ursachen kann man aber, ganz im Gegenteil, eine beträchtliche Überlappung von Autoimmunerkrankungen und Primären Immunmangelzuständen beobachten.

 

Eine im Jahr 2017 publizierte Studie des französischen nationalen Registers für Primäre Immundefizienzen (CEREDIH) ergab, dass bei 26% der Patienten mit Primären Immunmangelzuständen während der gesamten Lebenszeit ein oder mehrere autoimmunbedingte Symptome auftraten (1).Das Risiko für eine autoimmun bedingte Zytopenie war bei den immundefizienten Patienten sogar 120mal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Dazu passt auch die Beobachtung, dass die Anwendung immunselektiver Biologika und Kinaseinhibitoren für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen, die ja eine relative Immundefizienz erzeugen, als Nebenwirkungen nicht nur ein erhöhtes Infektionsrisiko bedingen, sondern auch zu anderen autoimmunen Manifestationen führen können.

 

Aus genetischer Perspektive sind die Rheumatoide Arthritis (RA) und der systematische Lupus erythematosus (SLE) derzeit die am besten untersuchten autoimmunen Bindegewebserkrankungen. In genomweiten Assoziationsstudien unter 29.880 Patienten wurden 377 Kandidatengene (ausserhalb der HLA-Loci)bei einer Kohorte von 29.880 Patienten mit RA identifiziert. 98 dieser Gene waren mit einem zweifachen Anstieg des Risikos für die Entwicklung einer RA assoziiert (2).Für 15 davon war bereits früher eine Assoziation mit primären Immunmangelsyndromen gezeigt worden (3).Sie kodieren für Moleküle, die in vielfacher Weise bei der Immunregulation von Bedeutung sind. Dazu zählen z.B. für Apoptose verantwortliche Moleküle, wie Caspase-8 und Caspase-10, die a-Kette des Interleukin 2 (IL-2) Rezeptors (= CD25), der im Thymus für die negative Selektion von T-Zellen verantwortliche autoimmune Regulationsfaktor AIRE, der Interferon-gRezeptor 2 und der Interferon-Regulationsfaktor 8 (4).

 

Diese interessante Thematik wird in einer Übersichtsarbeit von RE Schmidt, B. Grimbacher und T. Witte(5)präzise und gut illustriert zusammengefasst. Die Schlüsselpunkte dieser Arbeit sind nochmals folgende:

 

(a) die Immundysregulation bei vielen primären Immunmangelsyndromen führt häufig zur Manifestation von Autoimmunerkrankungen

(b)Mutationen verschiedenster Gene können sowohl zu Immunmangel als auch zu Autoimmunität führen

(c)Spezifische Kenntnisse über diese genetischen Veränderungen und ihre pathophysiologischen Konsequenzen sollten die Entwicklung neuer therapeutischer Vorgangsweisen ermöglichen

(d)genauere Kenntnisse der primären Immunmangelsyndrome werden ein besseres Verständnis potentieller infektionsbedingter Nebenwirkungen erlauben, wenn Disease-Modifying Anti-Rheumatic Drugs(DMARDs) für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen verwendet werden.

 

 

 

Ref.

(1)

Fischer A., Provot J., Jais J.

„Autoimmune and inflammatory manifestations occur frequently in patients with primary immunodeficiencies“

J Allergy Clin Immunol. 2017 Nov;140(5):1388-1393.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28192146

 

 

(2)

Okada Y. et al.

„Genetics of rheumatoid arthritis contributes to biology and drug discovery“

Nature. 2014 Feb 20;506(7488):376-381.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24390342

 

 

(3)

Grimbacher B. et al.

„The crossroads of autoimmunity and immunodeficiency: Lessons from polygenic traits and monogenic defects“

J Allergy Clin Immunol. 2016 Jan;137(1):3-17

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26768758

 

 

(4)

Ghodke-Puranik Y., Niewold TB

„Immunogenetics of systemic lupus erythematosus: a comprehensive review“

J Autoimmun. 2015 Nov;64:125-36.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26324017

 

 

(5)

Schmidt RE, Grimbacher B., Witte T.

„Autoimmunity and primary immunodeficiency: two sides of the same coin?“

Nat Rev Rheumatol. 2017 Dec 19;14(1):7-18.

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29255211