Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse

Dez 29, 2013 | Hormondiagnostik, News

aus: S. Schwarz, O. Förster, M. Peterlik, K. Schauenstein, G. Wick  „PATHOPHYSIOLOGIE“
Verlag Maudrich Wien 2007
 
Dieses Bild (s. beiliegendes PDF) zeigt schematisch die sog. Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden Achse. Die eigentliche Wirkung wird durch das jeweilige gonadale Steroidhormon, d.h. Östradiol bzw. Progesteron bei der Frau und Testosteron beim Mann (alle im Folgenden als „Sexualsteroide“ bezeichnet), hervorgerufen. Die übergeordneten Hormone FSH + LH aus den sog. Gonadotrophs der Hypophyse, sowie LHRH aus den hypothalamo-hypophysiotropen LHRHergen (= GNRHergen) Neuronen des Hypothalamus dienen lediglich der Steuerung der gonadalen Aktivität nach stattgehabter zentraler Koordination einer Vielzahl von extero- und enterozeptiven Reizen.
 
Die Sexualsteroide weisen dreierlei Wirkungsformen auf:
1. periphere endokrinologische, z.B. auf die Uterusschleimhaut, bzw. die Potenz,
2. zentrale,
   2.1. „rückwirkende“ auf die Gonadotrophs und LHRHergen Neurone, meist negativ-rückwirkende,
   2.2  Wirkungen auf die psychische Entwicklung einerseits (gender identity) sowie postnatal auf das psychologische Verhalten, z.B. Brutpflege, Libido etc., in entsprechenden anderen („übergeordneten“, d.h. über der Hypophyse und dem Hypothalamus gelegenen Rinden-) Arealen des ZNS.
 
Alle genannten Zelltypen müssen daher mit Rezeptoren für Sexualsteroide ausgestattet sein. Dies ist bei Mann und Frau gleich, nämlich der Östrogenrezeptor!
 
Eine Dysfunktion dieser Achse wird in der klinischen Nomenklatur, je nach auslösender Ursache, als eine primäre (in den Gonaden) oder sekundäre (in der Hypophyse) oder tertiäre (im Hypothalamus gelegene) bezeichnet.
 
Ursachen für Störungen in diesen 3 Ebenen sind Mutationen („Defizienzen“, weil meist loss of function-Mutationen) betreffend eines der jeweils einer Ebene zuzuordnenden Proteine (Kandidatengene). Dabei können es Genprodukte sein, die für die embryologische Entwicklung eines der drei Zelltypen verantwortlich sind (in der Abb. weiße Akronyme), oder solche, die für die differenzierte Leistung verantwortlich sind (in der Abb. magenta Akronyme). Erstere sind meist Transkriptionsfaktoren (HESX1, PTX2, PROP1, PIT1 etc.), oder auch Zelladhäsions- oder chemotaktische Proteine (z.B. KAL1). Letztere sind meist Hormone oder Hormonrezeptoren (GNRH, FSH, LH, GNRHR, FSHR, LHR), oder nachgeschaltete Signaling-Proteine (z.B. GNAS1), oder Enzyme der Steroidbiosynthese (z.B. STAR, CYP11A1, etc.), oder der Androgen- bzw. Östrogenrezeptor (AR, ER) und damit assoziierte Coaktivatoren (NCOA1 etc.).
 
Jedes dieser Proteine kann defizient sein (loss of number oder loss of function) und damit eine Gonadeninsuffizienz verursachen, die sich z.B. in einer Pubertas tarda oder Amenorrhoe manifestiert, oder im ernstesten Falle sogar in einem veritablen Sex-Reversal-Syndrom. Es ist die Aufgabe der klinischen Medizin, diese möglichen Ursachen in Betracht zu ziehen und sie nach einem diagnostischen Algorithmus rasch und effizient abzuklären, um so früh wie möglich eine pathophysiologisch korrekt geleitete (in den meisten Fällen) Substitutionstherapie einzuleiten. Auf die einzelnen Kandidatengene kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden; sie wären im zitierten Kapitel unseres Lehrbuches nachzulesen oder in der OMIM (Online Mendelian Inheritance in Man)-Datenbank http://www.omim.org/vertieft zu studieren.
 

Abb. 58a aus S. Schwarz, Kap. 7, „Hormonsystem:
http://www.laborwick.com/wp-content/uploads/files/HORMONSYSTEM_Abb._58a.jpg.pdf

 
tit.ao.Univ.Prof. Dr. Siegfried Schwarz
Sektion für Exp. Pathophysiologie & Immunologie
Biozentrum
Medizinische Universität Innsbruck