Krankheitsüberblick Nr.2: Infektion mit Mycobacterium tuberculosis

Nov 7, 2022 | Immundiagnostik, News

Epidemiologie

Die Tuberkulose ist eine meldepflichtige, zum überwiegenden Teil inhalativ erworbene Erkrankung der Lunge, die durch das Mycobacterium tuberculosis (M. tuberculosis) hervorgerufen wird. Die Ansteckung ist jedoch gegenüber anderen aerogenen Infektionserkrankungen weniger effizient. Kinder und Erwachsene können betroffen sein. Die Inzidenz in Österreich beträgt 4 / 100.000 Personen. Eine Übertragung während der Schwangerschaft ist selten, eine postnatale Infektion des Neugeborenen durch eine erkrankte Mutter jedoch die Regel.

Innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen entwickelt sich –auch unter Therapie- bei 90% der PatientInnen ein effektiver Immunschutz. Eine Infektiosität der Personen besteht hingegen nur während der ersten drei Wochen, wobei Fälle mit therapieresistenter Tuberkulose vorkommen, die länger ansteckungsfähig bleiben. Den restlichen 10% gelingt eine vollständige Bekämpfung oder Abkapselung des Erregers nicht und es kommt zumeist innerhalb von zwei Jahren –manchmal jedoch auch später- zu einer symptomatischen Erkrankung. Heilt auch diese nicht aus, bleibt eine latente Tuberkulose-Infektion (LTBI) bestehen, die selbst bei immunkompetenten Infizierten reaktiviert werden kann. Besonders gefährdet sind zu diesem Zeitpunkt Personen mit verminderter Anzahl an CD4 positiven T-Lymphozyten. Auch andere Organe, wie Lymphknoten, Harnwege, Verdauungstrakt, etc. können primär oder im Rahmen von Organtransplantationen betroffen sein. Eine kongenitale Variante wird durch die Übertragung einer infizierten Mutter auf das Kind hervorgerufen.

Pathologie und Pathophysiologie

Eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie spielen die CD4+ T-Helferzellen Typ 1 (TH1) sowie die Zytokine Interleukin 12 (IL-12), Interferon gamma (IFN-γ) und Tumor Nekrose Faktor alpha (TNF-α). Dabei stimuliert das früh in der Infektion von Antigen-präsentierenden Zellen sezernierte IL-12 die Ausreifung von CD4+ TH1 Zellen und deren Produktion von IFN-γ. IFN-γ fördert dann die Produktion von TNF-α und anderen Zytokinen, die letztlich die infizierten Zellen, zum Beispiel Makrophagen, dazu befähigen, das intrazellulär lokalisierte Mycobakterium mittels reaktiver Sauerstoffmoleküle

abzutöten. Im Unkehrschluss führt die Inhibition von TNF-α durch Biologika- wie sie zum Beispiel in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden- zur Reaktivierung einer LTBI.

Klinik

Zu 80 % besteht eine Lungentuberkulose mit produktivem oder unproduktivem Husten, unter Umständen mit Atemnot oder Brustschmerzen mit begleitender B-Symptomatik. Auch ein asymptomatischer Status ist möglich. Vor allem bei Immunschwachen kann es – oft zeitlich weit versetzt – zur hämatogenen oder lymphogenen Aussaat kommen und Organ-spezifische Symptome erzeugen. Eine LTBI verläuft per definitionem symptomlos!

Die Therapie der laboranalytisch verifizierten manifesten Tuberkulose besteht aus einer zweimonatigen Initialphase mit einer simultanen Gabe von Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Ethambutol (EMB) und Pyrazinamid (PZA) und einer viermonatigen Kontinuitätsphase aus INH und RMP. Die Medikamente werden 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen. Eine HIV-Koinfektion soll ausgeschlossen werden. Im Falle einer Resistenz (5-10 % der Fälle) muss für 18 Monate eine individualisierte Therapie auf Basis des Resistenzprofils verabreicht werden. (Die Möglichkeit einer Therapie einer Kontaktperson eines resistenten Falles kann erwogen werden.) Auch die laboranalytisch verifizierte LTBI muss einer präventiven Chemotherapie unterzogen werden, zum Beispiel bei geplanten Einsatz von TNF-α Blockern und anderen Biologika (siehe dazu S2k-Leitlinien, 2017). Verabreicht wird RMP über vier Monate, INH und RMP über drei Monate oder INH über neun Monate. Bei Kindern unter fünf Jahren soll innerhalb von acht Wochen nach Exposition auch bei noch negativem Laborergebnis eine Chemoprävention erfolgen. Die endgültige Entscheidung zwischen einer Beendigung oder einer Fortführung der Therapie basiert dann auf einem immunologischen Test nach der achten Woche.

Diagnose

Neben der Anamnese und der klinischen Symptomatik kommt der Bildgebung eine wichtige Rolle in der Vordiagnose zu. Laboranalytisch ist die Probenabnahme dringlich zu beachten.

Es stehen bakteriologische Verfahren mit mikroskopischen, kulturellem oder molekulargenetischem Nachweis mit hoher Auflösung und Empfindlichkeits- bzw Resistenzbestimmungen zur Verfügung.

Diese Verfahren sind jedoch bei nicht zugänglichem Infektionsherd, nach Ausheilung oder bei einer LTBI negativ. Für diese bietet sich ab sechs bis acht Wochen nach der Infektion die immunologische Analyse an, wobei der Tuberkulin- Hauttest (in vivo) und der Lymphozytenaktivierungstest (in vitro) zum Einsatz kommen. Beide Tests dienen nicht der Diagnose der symptomatischen Erkrankung, sondern werden vor allem bei der LTBI eingesetzt. Das wesentliche Kriterium für die Leistungsfähigkeit ist die Sensitivität bei immunschwachen Patient*innen, also jenen mit a priori schwachen oder mit einer niedrigen Anzahl an T-Lymphozyten.

Der Enzyme-linked Immunospot Assay (ELISpot) detektiert die LTBI durch die Messung der IFN-γ Freisetzung nach Co-Inkubation der T-Zellen mit Antigenen des M. tuberculosis. Dabei werden die IFN- γ sezernierenden TH-Zellklone gezählt, was momentan die genaueste Methode darstellt. Der ELISpot wird zudem nicht von einer Impfung mit dem Erreger Bacillus Calmette-Guérin beeinflusst und korreliert besser mit den Risikofaktoren als Alternativmethoden, wie der Tuberkulinhauttest oder der Enzyme-Linked Immunosorbent Assay (ELISA).

Die Peptide von M. tuberculosis, die wir in unserem Labor einsetzen, entstammen dem Early Secreted Antigenic Target 6 kDa (ESAT6) und dem Culture Filtrate Protein 10 kDa (CFP-10).

Die Indikation des ELISpot Tests ist der Nachweis einer manifesten oder latenten Infektion mit M. tuberculosis immunkompetenter und immunsupprimierter PatientInnen. Die klinische Sensitivität beträgt 98,8%, die klinische Spezifität > 99% !

Wir verwenden  als Probenmaterial mindestens 6 ml Vollblut von Zitrat- oder Li-Heparinröhrchen. Die Röhrchen müssen bis zur Analyse auf Raumtemperatur verbleiben und sollten innerhalb von 12-16 Stunden in unserem Labor eintreffen. Deshalb ist eine genaue Koordination mit unserem  Labor erbeten.

Das Ergebnis ist qualitativ und  wird als negativ, positiv oder grenzwertig ausgegeben. In letzteren Falle ist eine Wiederholung der Blutabnahme notwendig. Auch die Gesamtanzahl mononukleärer Zellen und der Anteil prinzipiell stimulierbaren Zellen unter diesen wird notiert.

Die Laboranalyse kann mit den gesetzlichen Sozialversicherungen abgerechnet werden.

1Der Vollständigkeit halber sei auch der Übertragungsweg durch Fleisch oder Rohmilch infizierter Rinder erwähnt, der jedoch durch den hohen Grad der Qualitätskontrolle in Österreich zu 99,9% auszuschließen ist.