Wie kommt es zur Pubertät? (Teil 3)

Sep 1, 2013 | Hormondiagnostik, News

Viel häufiger  kommt es aber zu Zentraler Pubertas praecox (ZPP). Diesbezüglich konnte erstaunlicherweise bisher kein Gendefekt identifiziert werden. Erst vor kurzem gelang es aber einer internationalen Forschungsgemeinschaft unter Federführung der Harvard Medical School (1) ein „culprit gene“ und einen möglichen Pathomechanismus aufzuklären. Durch whole exome sequencing (d.h. Sequenzanalyse aller Exone aller Gene) von 40 Mitgliedern von 5 Familien, in denen ZPP auftrat, wurde ein Gen herausgefiltert, welches eindeutig mit dieser Erkrankung assoziiert ist: MKRN3 für Makorin 3 oder auch Zinkfinger-Protein 127 (ZNF127) (OMIM 603856) genannt. Bei allen Mitgliedern mit klinischen Zeichen einer ZPP fanden sich loss of function-Mutationen im MKRN3-Gen. Die Autoren untersuchten weiters normale Mäuse vor und nach dem Eintreten der Pubertät und konnten zeigen, daß das Makorin 3-Ortholog-Protein bei diesen Tieren im Nucleus arcuatus vor der Pubertät hochexprimiert und mit Eintreten der Pubertät hinunterreguliert und danach Zeit ihres Lebens nur mehr ganz wenig exprimiert wird. Daraus läßt sich eine auf die GnRH-Sekretion tonisch-drosselnde Rolle ableiten. Demnach ist zu erwarten, daß, wenn Makorin 3 loss of function-mutiert ist, diese Bremswirkung wegfällt und es so zu ungedrosselter und verfrühter GnRH-Sekretion kommt, und damit zu ZPP.

Interessanterweise liegt das MKRN3-Gen (auf Chromosom 15q11.2) im Bereich des Prader-Willy-Syndrom (PWS)-Genkomplexes und ist – wie der ganze Komplex – maternally imprinted, d.h. durch Methylierung seiner CpG-Inseln (CpG islands) permanent unabschreibbar geworden. Folglich wird nur das paternale Allel transkribiert. Alle untersuchten Patienten mit ZPP, ob weiblich oder männlich, zeigten die MKRN3-Mutationen im paternalen Allel.  

Was bewirkt das Produkt des MKRN3-Gens eigentlich? Die gesammelten Daten aus früheren Untersuchungen weisen darauf hin, daß Makorin 3 mit Protein-Ubiquitinierung assoziiert ist, was abzubauende Proteine abbaubar macht, d.h. zum Abbau durch das Proteasom-System „markiert“.  Das Substratprotein für Makorin 3 – obwohl noch nicht identifiziert – scheint einen per se stimulatorischen Einfluß auf die GnRH-Sekretion zu haben. Damit dieser Einfluß zeitabhängig und dosiert ablaufen kann, eben erst ab dem Alter von ca. 8 – 12 Jahren, muß dieses putative Makorin 3-Substratprotein mehr abgebaut als akkumuliert werden. Mit einem intakten Makorin 3 funktioniert dies auch. Ist hingegen Makorin 3 defizient, kommt es zu vermindertem Abbau dieses Pubertät-stimulierenden unbekannten Proteins als Resultat einer verminderten Bremswirkung durch Makorin 3 und damit zu verfrühter und erhöhter GnRH-Sekretion und damit zu ZPP.
 
Diagnostik in unserem Labor: Patienten mit ZPP können mit den Methoden unseres Hormonlabors diagnostiziert werden. Patienten mit ZPP zeigen in präpubertärem Alter bereits Erwachsenenwerte für FSH, LH, Östradiol-17ß bzw. Testosteron. Wenn die Basalwerte für FSH und LH noch nicht deutlich genug erhöht sein sollten, ist ein GnRH-Stimulationstest zu empfehlen, durch welchen eine erhöhte (= pathologische) Stimulierbarkeit nachweisbar wird.  Ein GnRH-Stimulationstest sollte ambulant durchgeführt werden.
 
 
Tit.ao.Univ.Prof. Dr. Siegfried Schwarz, Sektion f. Experim. Pathophysiologie & Immunologie, Biocenter, Medizinische Universität Innsbruck
 
 
Ref. (1):
Central Precocious Puberty Caused by Mutations in the Imprinted Gene MKRN3.Ana Paula Abreu, M.D., Ph.D., Andrew Dauber, M.D., Delanie B. Macedo, M.D., Sekoni D. Noel, Ph.D., Vinicius N. Brito, M.D., Ph.D., John C. Gill, Ph.D., Priscilla Cukier, M.D., Iain R. Thompson, Ph.D., Victor M. Navarro, Ph.D., Priscila C. Gagliardi, M.D., Tânia Rodrigues, M.D., Cristiane Kochi, M.D., Carlos Alberto Longui, M.D., Dominique Beckers, M.D., Francis de Zegher, M.D., Ph.D., Luciana R. Montenegro, Ph.D., Berenice B. Mendonca, M.D., Ph.D., Rona S. Carroll, Ph.D., Joel N. Hirschhorn, M.D., Ph.D., Ana Claudia Latronico, M.D., Ph.D., and Ursula B. Kaiser, M.D. N Engl J Med. 2013 368:2467-2475.