293 Jahre altes Gehirn – kaum gealtert

Sep 27, 2021 | Allgemeines, News

Gehirn des Gröndlandhais des ältesten Wirbeltiers der Welt, untersucht

Er wurde 1714 geboren und ist damit das älteste Wirbeltier der Welt – der schon sehr seltene Grönlandhai, der leider als Beifang in das Netz eines marinen Forschungsteams im Atlantik westlich von Island  gelangt ist.

Aber sein Tod war nicht umsonst. Jetzt konnte ein internationales Team von WissenschaftlerInnen unter der Leitung des Universitätsklinikums Freiburg erstmals das Gehirn dieses sehr seltenen Tiers untersuchen (Ref. 1) und aus den Daten Schlüsse für das Verständnis der Entwicklung von M. Alzheimer und M. Parkinson ziehen. Für diese Erkrankungen ist bekanntlich das Alter des Menschen der grösste Risikofaktor – das Gehirn des Grönlandhais (der zur Zeit geboren wurde als Goethe „Die Leiden des jungen Werther“ schrieb) war erstaunlicherweise völlig normal! Es zeigten sich keinerlei histopathologische Hinweise auf degenerative Veränderungen oder Amyloid-Ablagerungen bzw. alterstypische Gefässveränderungen. Diese Tiere bewegen sich extrem langsam, haben einen stark reduzierten Stoffwechsel und wachsen auch aussergewöhnlich langsam. Diese Eigenschaften erlauben auch eine genaue Altersbestimmung aufgrund der Körperlänge von 460 cm (Ref. 2.)

Das blosse chronologische Alter gilt also in diesem Fall nicht als neurodegenerativen Risikofaktor. Es scheinen demnach neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse und speziesspezifische Komponenten entscheidend für die Erhaltung der normalen Struktur des Gehirns bei diesem Tier zu sein.

Welche das genau sind und wie sie sich von den Risikofaktoren für M. Alzheimer und M. Parkinson beim Menschen unterscheiden müssen die Forscher in weiteren Studien klären.

 

Ref. 1:

Erny D., et al., Neuropathological evaluation of a vertebrate brain aged ~ 245 years, Acta Neuropathologica, https://doi.org/10.1007/s00401-020-02237-4

 

Ref. 2:

Nielsen J. et al., Eye lens radiocarbon reveals centuries of longevity in the Greenland shark (Somniosus microcephalus) Science 353 (6300): 702-704 (2016), DOI: 10.1126/science.aaf1703