Therapie von familiärer Transthyretin (TTR)-Amyloidose-Polyneuropathie (FAP, ATTR) mit RNA-Interferenz (RNAi) Teil 2 von 2

Nov 11, 2013 | Hormondiagnostik, News

Diese familiäre Form der FAP muss von der senilen Form (SAP) unterschieden werden, welche nicht auf einer Mutation des TTR-Gens beruht. Die Symptome sind jener der ersteren Form aber ähnlich, nur werden sie sehr viel später im Leben manifest. Nichtmutiertes TTR ist höchstwahrscheinlich durch ROS (Sauerstoffradikale) in seiner Struktur geschädigt.
Die TTR-bedingte Amyloidose umfasst ca. 7% aller Amyloidosen, die häufigste darunter ist die leichte-Ketten-assoziierte Amyloidose (LA), eine erworbene, durch Überproduktion von Immunglobulin-leichten Ketten bedingte Form, meist im Rahmen eines multiplen Myeloms.
 
Bisherige Therapie-Strategien waren (1) Lebertransplantation, (2) Gentherapie (noch nicht ausgereift), (3) Immuntherapie (mit welcher Amyloiddepots durch Makrophagen eliminiert werden sollen), (4) Gabe von antiamyloidogenen Medikamenten, welche a) die Quervernetzung und stack-Bildung noch kleinerer Aggregate verhindern sollen, oder b) welche das (TTR)4 vor dem „gefährlichen“ Zerfall in Monomere schützen sollen.  Dabei gehen alle diese Therapien an der Grundproblematik vorbei, dass nämlich ein „gain of a toxic function“-mutiertes Protein eigentlich erst gar nicht exprimiert werden sollte, um alle daraus resultierenden sekundären Wirkungen zu verhindern. So kann z.B. die Lebertransplantation zwar bewirken, dass kein neues mutiertes TTR gebildet wird, aber das alte bleibt abgelagert und ist so weiterhin pathogenetisch wirksam. Außerdem wird weiterhin in extrahepatischen Organen (s.o.) mutiertes TTR exprimiert.
 
Der logische Ansatz war also, mRNA-Moleküle für mutiertes TTR an der Translation zu hindern, indem man sie vorher zerstört. Entsprechende Anti-TTR-micro-RNA-Moleküle konnten synthetisiert und in geeignete Nanopartikel inkorporiert werden, die Hepatotropie aufwiesen, sodass die parenterale Gabe eine effiziente Aufnahme in die Leber erwarten ließ. In der Tat zeigten die oben zitierten Untersuchungen, dass in entsprechender Dosierung eine lang anhaltende Senkung der Serum-TTR-Spiegel resultierte (man spricht von „knock-down“), und zwar vom sowohl von mutiertem als auch nichtmutiertem TTR. Diese Form einer gänzlich neuen und pathophysiologisch präzisen Strategie wurde erst möglich, seit das Konzept der „RNA interference – gene silencing by double-stranded RNA“ entdeckt worden ist, wofür Andrew Z. Fire und Craig C. Mello in 2006 den Nobel-Preis in Physiologie/Medizin erhielten.
 
RNAi-Therapie basiert auf der durch diese beiden Forscher gemachten Erkenntnis, dass im Genom von Eukaryonten zahlreiche Basensequenzen existieren, die nicht für Proteine codieren sondern für iRNAs, also inhibitorische RNAs. Diese Sequenzen werden im Prinzip genauso transkribiert wie andere Gene, es resultieren daraus sog. microRNAs (miRNAs). Durch ein zelleigenes Enzymsystem, u.a. mit dem Namen DICER,  werden diese dann noch weiter zerkleinert zu sog. siRNAs (small inhibitory RNAs), welche dann in den RISC (RNA-induced Silencing Complex) eingebaut werden, der durch Hybridisierung eines siRNA-Strangs mit einem Teil einer bestimmten mRNA zu deren spezifischer Inhibition oder sogar Zerstörung führt,  sodass sie nicht mehr translatiert werden kann.  
 
Diese Therapie ist ein äußerst ermutigender Prototyp für ein neues Vorgehen gegen andere Amyloidosen, die auch durch Aggregation verschiedenster anderer Proteine verursacht werden können. Hormone, wie Calcitonin, Prolactin, oder Atrial Natriuretic Peptide, sind potentiell amyloidogen, aber noch mehr gilt das für andere Proteine, wie Fibrinogen-alpha, Apolipoprotein A1, Lysozym, ß-Protein-Praecursor, Prion-Protein, Cystatin C (Cystein-Protease-Inhibitor), Gelsolin, Lactoferrin, Keratoepithelin, Amylin (IAPP, Islet amyloid polypeptide), Keratin, Medin, u.a.
 
 
Ref.:
Coelho T, et al.
„Safety and efficacy of RNAi therapy for transthyretin amyloidosis“
N Engl J Med. 2013; 369(9): 819-29
 
 
 
 
Tit.ao.Univ.Prof. Dr. Siegfried Schwarz
Sektion für Experimentelle Pathophysiologie und Immunologie
Biozentrum
Medizinische Universität Innsbruck