Wachstumsstörungen (WS)

Okt 30, 2012 | Hormondiagnostik, News

WS werden meist im Kindesalter beobachtet. Häufiger ist ein Kleinwuchs, wo erniedrigte Wachstumshormonspiegel erwartet werden. Bei Erwachsenen ist wiederum die Akromegalie als wichtigste Ursache einer WS abklärungsbedürftig, wo erhöhte Wachstumshormonspiegel erwartet werden.
 
Physiologie:
Längenwachstum wird durch mehrere Hormone geregelt: Die wichtigsten sind das Wachstumshormon (HGH, human growth hormone) sowie das Somatomedin C (SmC), synonym IGF1 (insulin-like growth factor). IGF1 wird in Leberzellen synthetisiert und sezerniert, wenn sie mit HGH stimuliert werden. Während HGH nur in der Nacht und im REM-Schlaf sezerniert wird und daher eine ausgesprochene zirkadiane Rhythmik aufweist, sind die Blutspiegel von IGF1 zu allen Tageszeiten gleich (siehe Bild, aus dem Lehrbuch PATHOPHYSIOLOGIE, Schwarz & Wick, Eds., Maudrich Wien, 2007). Eine über Wochen anhaltende Mindersekretion von HGH führt zum Absinken von IGF1, genauso wie erst  eine über Wochen anhaltende Mehrsekretion von HGH ein Ansteigen von IGF1 induziert. IGF1 ist daher als ein „robuster“ Analyt anzusehen. IGF1 zirkuliert im Blut größtenteils an IGFBP3 (insulin-like growth factor binding protein 3) gebunden, damit geschützt vor proteolytischer Degradierung, aber auch inaktiv = unfähig an einen der IGF-Rezeptoren zu binden. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen freier (= aktiver) und gebundener Form von IGF1. Diese physiologischen Bedingungen sind für die Präanalytik außerordentlich bedeutsam
 
Diagnostik:
eines Kleinwuchses (bei Kindern) sollte in Stufen erfolgen, und das ist relativ zeitaufwendig. Wird das Kind in der Ambulanz/Kinderarzt während des Tages vorgestellt, ist eine Blutabnahme zur Abklärung der „Wachstumshormon-Achse“ nur dann sinnvoll, wenn das Labor auch IGF1 messen kann, ebenso IGFBP3 (wie unser Labor). Eine Bestimmung von HGH in einer solchen “ersten“  Probe ist nicht indiziert und ein gefundener niedriger Wert wäre ohne Aussagekraft, da auch bei gesunden Kindern während des Tages kaum HGH gefunden wird bzw. nachgewiesen werden muss. Umsomehr ist die Einsendung einer Blutprobe zur alleinigen Messung von HGH kontraindiziert!
Wird in dieser ersten Blutprobe gefunden, dass IGF1 und IGFBP3 deutlich (= 1-2 Standardabweichungen) unter dem altersgemäßen Mittelwert liegen, muss die HGH-Sekretion selbst abgeklärt werden. Hierzu gibt es 2 Möglichkeiten: einmal muss das Kind stationär aufgenommen werden, um unter Beobachtung seiner REM-Schlafphasen mehrere Blutproben abzunehmen, in welchen erwartungsgemäß die sog. nucturnal spikes von HGH gemessen werden können. Wird in diesen Proben gefunden, dass die HGH-spikes nur gering ausfallen, muss in zweiter Linie die sog. HGH-Sekretionsreserve getestet werden. Hierzu wird das Kind entweder direkt mit synthetischem GHRH (growth hormone releasing hormone) stimuliert oder man induziert ein Ansteigen des GHRH und damit des HGHs mittels Arginin oder Insulin. Die beiden letzteren Stimulationstests sind schon seit 30 Jahren gut eingeführt, beide sind nicht immer ganz verlässlich, sollte einer „negativ“ sein, d.i. zu keinem Anstieg von HGH innert 30 – 60 min geführt haben, ist der jeweils andere Test anzuwenden, oder am besten von vornherein der GHRH-Test
 
Pathophysiologie:
Weiters ist zu bedenken, dass ein Kleinwuchs nicht nur durch einen Mangel oder eine loss-of-function Mutation des HGHs verursacht sein kann, sondern auch durch einen Defekt im HGH-Rezeptor (Laron-Typ-Kleinwuchs).

Ein Mangel an HGH kann wiederum viele Ursachen haben, und zwar genetische wie auch nichtgenetische. Schliesslich spielen auch Sexualsteroide und Glucocorticoide eine wachstumsdämpfende Rolle, erstere z.B. bei einer Pubertas praecox, letztere z.B. bei langdauernder Glucocorticoidtherapie
 
Eine pathologische Mehrproduktion von HGH (z.B. aufgrund eines Hypophysentumors) und damit von IGF1 führt im Kindesalter zu Riesenwuchs und im Erwachsenenalter zu Akromegalie. Bei diesen Fragestellungen ist eine „erste“ Blutabnahme zur alleinigen HGH-Bestimmung sinnvoll, natürlich ergänzt durch IGF1– und IGFBP3-Messung.

Siehe Abbildung! 
http://www.laborwick.com/wp-content/uploads/files/HGH_Bild.jpg